Rathäuser stehen im Regen

Rathäuser stehen im Regen

Die hessischen Landräte und Bürgermeister laufen Gefahr, am Gängelband des Landes und des Bundes zu verhungern. Das gilt nicht nur für den Teil der kommunalen Familie, der sich unter den Schutzschirm des Finanzministers stellt und sich deshalb zu besonderer Ausgabendisziplin verpflichten muss. Es trifft im Kern für alle zu. Denn die nächste Ausgabenfalle ist bereits aufgestellt. Ab dem 1. August 2013 haben Eltern einen Rechtsanspruch auf die Betreuung ihres Nachwuchses im Kindergarten – und zwar unabhängig vom Alter. „U 3“ lautet die Formel für das Gesetz, das in eineinhalb Jahren in Kraft tritt. Es sichert Kindern vom ersten Lebensjahr an einen öffentlichen Krippenplatz zu. Je größer die Stadt, desto größer ist der Bedarf. Im Kreis Bergstraße liegt er nach einer Hochrechnung des Landratsamtes bei 2137 Plätzen. Fast die Hälfte davon fehlt noch. Bei der letzten Erhebung im Sommer vorigen Jahres klaffte eine rechnerische Lücke von 932 Plätzen.
Bei der Ermittlung dieser Zahl unterstellt das Landratsamt, dass fünf Prozent der unter Einjährigen, 33 Prozent der Ein- bis Zweijährigen und 66 Prozent der Zwei- bis Dreijährigen einen Krippenplatz benötigen. Der Rechtsanspruch der Eltern richtet sich gegen den Landkreis als Jugendhilfeträger. Umgesetzt werden muss die Vorgabe des Gesetzgebers von den Rathäusern. Dem Kreis obliegt die Steuerungsfunktion. Wie viele Krippenplätze tatsächlich gebraucht werden, hängt von der konkreten Nachfrage ab. Landrat Matthias Wilkes sagt voraus, dass der Bedarf mit dem Angebot steigt. Für den Behördenchef liefert das neue Gesetz die richtige Antwort auf brennende soziale und wirtschaftliche Fragen. Von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf hänge nicht zuletzt ab, wie der Fachkräftemangel bewältigt werden kann. Das U 3-Angebot sei ein harter Standortfaktor.
Experten gehen deutschlandweit von elf Milliarden Euro Investitionsvolumen für U 3-Plätze aus. Das Bundesprogramm in Höhe von vier Milliarden Euro ist so gut wie ausgeschöpft. In den Kreis Bergstraße fließen in diesem Jahr gerade noch 500 000 Euro. Angesichts des immensen Nachholbedarfs sind die 30 Millionen Euro, die das Land von Kassel bis Heppenheim an U 3-Fördermitteln verteilen will, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Nach Ansicht der Bezirksgruppe Südhessen des Landkreistags, die gestern in Heppenheim tagte, ist mehr als die dreifache Summe vonnöten – zumal die Bundesgelder nach dem Windhundverfahren überwiegend in den Ballungsräumen und nur zu einem geringen Teil in der Fläche angekommen sind.
Der geschäftsführende Direktor des Landkreistages, Dr. Jan Hillegardt, hofft nun auf ein Spitzengespräch mit dem hessischen Sozialminister. Bei einer Quote von 35 Prozent wären hessenweit 52 000 Plätze vorzuhalten.

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