Laute und leise Töne zur hessischen Wirtschaft

BA-Bericht vom 26.8.2013

Laute und leise Töne zur hessischen Wirtschaft

Tarek Al-Wazir will hessischer Wirtschaftsminister werden. Das hat viele überrascht. Genauso wie die Ankündigung seines Wahlkampfbüros, dass sich der Spitzengrüne zeitnah in der Lautertaler Gewerbelandschaft umsehen möchte. Am Freitag war es dann soweit.
Zum zweiten Mal innerhalb von 14 Tagen, wie er betont: Mit der Familie kletterte Al-Wazir jüngst privat durchs Felsenmeer. „Dabei haben wir ein tolles afrikanisches Restaurant entdeckt.“ Exotische Gastronomie mitten auf dem Felsberg, das habe ihn durchaus überrascht.

Spitzenkandidat war der Partei- und Fraktionschef der Grünen in Hessen sogar schon drei Mal. Jetzt will er zeigen, dass es mit dem Regieren klappt. Mit Sakko, Jeans und offenem Hemd spaziert er zum Felsenmeer-Informationszentrum. Flankiert von der lokalen GLL und Bürgermeister Jürgen Kaltwasser. Der Kandidat schaute sich zuvor in der Lautertaler Wirtschaft um. Ein einziger Betrieb, die Lautsprecher-Edelmanufaktur Avantgarde Acoustic, musste angesichts eines knappen Zeitplans reichen. „Ich hätte eine solche Firma hier nicht unbedingt erwartet“, kommentiert er das Nischensegment des innovativen Firmengründers Holger Fromme, der seine Hornsysteme in die ganze Welt verkauft.

Problem der Internetanbindung
Die Lautertaler Gewerbetreibenden versuchen es zwei Nummern kleiner. Im FIZ versammelte sich ein bunter Branchenmix, zwischen dem Tarek Al-Wazir Platz nahm: Ein Elektro-Familienbetrieb in dritter Generation, ein autarker Tourismusanbieter und eine expandierende Werbeagentur. Ihre Sorgen: Zeitlupen-Internet, steigender Wettbewerbsdruck und der Überlebenskampf guter Ideen in ländlicher, so genannter strukturschwacher Umgebung. Udo Rutkowski (GLL) moderierte. Sein Parteifreund hörte gut zu, antwortete nüchtern und ohne dicke Wahlkampfslogans. Kritik klingt so, dass die schwarz-gelbe Landesregierung dies und das nicht gut, nicht richtig oder nicht mit der gebotenen Intensität erledigt habe. Al-Wazir ist keiner fürs Bierzelt.

Im FIZ skizzierte er den „schleichenden Abstieg“ der hessischen Wirtschaft, die seit 13 Jahren nur von Sachsen-Anhalt untertroffen werde: Die nominalen Wachstumsraten seien im Keller, von den einstmals auf Augenhöhe mitrasenden Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg sehe Hessen nur noch die Rücklichter. Auch die zwei dicken Wirtschaftsmotoren, der Finanzplatz Frankfurt und der benachbarte Flughafen, stecken in der Krise, so Al-Wazir. Als Dauerkritiker des Regionalflughafens Kassel-Calden lässt der Obergrüne in Reichenbach dann doch noch ein paar politische Raketen los. In diesem 271 Millionen Euro teuren und schwer defizitären „Subventionsgrab“ würden in einer Woche drei Flugzeuge starten. „Für dieses Geld könnte man der Wirtschaft vor Ort richtig auf die Beine helfen.“ Zum Vergleich: Der EU-Zuschuss für den Bau des FIZ betrug 150  000 Euro.

Tarek Al-Wazir will den Infrastrukturbegriff neu denken. Statt Straßen zu bauen möchte er die Datenautobahn verbessern. „Das ist es, was kleine und mittlere Unternehmen zum Wachsen brauchen. Gerade in Gebieten wie Lautertal.“ Die kommunalen Akteure klatschen. Darunter der Reisebürobetreiber Harald Hübner, der Elektrohändler Alexander Rettig (beide Elmshausen) sowie Marieta Hiller und Ulrike Reiser, die unter anderem die Felsenmeerkobolde zum Leben erweckten.
Bei der Breitbandfrage müssten auch die Kommunen mit ins Boot, um die dünn besiedelten Nischen zu erreichen. „Der letzte Aussiedlerhof wird von privaten Netzbetreibern nicht bedient.“ Bei der Energiewende mahnte Tarek Al-Wazir zu mehr Tempo. Wer zuerst vorn ist, werde Fehler machen, aber langfristig die Nase vorn haben.
„Hessen brummt nicht!“, betont der Landes- und Fraktionschef. Die Bilanz falle sowohl beim Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts als auch bei der Arbeitsmarktentwicklung und dem produzierenden Gewerbe dramatisch schlecht aus, so Al-Wazir in Reichenbach. Sein Vorschlag: Hessen müsse sich insgesamt breiter aufstellen und die Gründung kleinerer und mittlerer Unternehmen verstärkt unterstützen. tr

Text: BA, Fotos: W.Nevermann

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