Kommunaler Schutzschirm reicht nicht aus

Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen:

Kommunaler Schutzschirm reicht nicht aus – Kommunalfinanzen brauchen umfassende Reform

Im April hat im Hessischen Landtag die Anhörung zum „Hessischen Kommunalen Schutzschirmgesetz“(SchSG) stattgefunden. Der lang angekündigte und im März endlich vorgelegte Gesetzentwurf wurde im Haushaltsausschuss beraten. Vor allem die kommunalen Spitzenverbänden und einzelne Kommunen wurden angehört. Das Urteil fällt gemischt aus. Die Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht deutlichen Nachbesserungsbedarf.

Schon im September 2010 kündigte Ministerpräsident Volker Bouffier vollmundig einen „Schutzschirm“ für die hessischen Kommunen an. Während andere Bundesländer inzwischen ähnliche Programme auf den Weg gebracht haben, liegt seit März 2012 endlich auch das hessische Schutzschirmgesetz (SchSG) vor. Die Landesregierung und die Kommunalen Spitzenverbänden haben gemeinsam Eckpunkte vereinbart auf deren Grundlage der Entwurf des Schutzschirm-Gesetzes entstanden ist. Diese Eckpunkte führten auch zur Auswahl jener 106 von insgesamt 447 hessischen Kommunen, die besonders notleidend sind und deshalb Zugang zum Schutzschirm haben sollen.
Der Gesetzentwurf im Einzelnen
Im Volumen von bis zu 2,8 Mrd. Euro können Schulden dieser Kommunen übernommen und in einem Fonds bei der WIBank eingebracht werden (darunter können auch Kassenkredite abgelöst werden). Die Übernahmequote beträgt 46 Prozent der Schulden der betroffenen Städten und Gemeinden sowie 34 Prozent der Schulden der betroffenen Landkreise. Berücksichtigt werden Kassenkredite und Kreditmarktschulden der Kernhaushalte zum Ende des Jahres 2009. Die im Fonds gesam- melten Schulden werden dann über 30 Jahre durch das Land getilgt. Weiter werden 400 Mio. Euro als Zinszuschüsse bereitgestellt. Der Rest der Zinsen auf die in den Fonds eingebrachten Schulden muss allerdings auch in den nächsten 30 Jahren durch die betroffenen Kommunen getragen werden. Die WIBank wird mit den Kommunen, die sich für den Schutzschirm entscheiden, jeweils Verträge schließen und sie beim Schuldenmanagement unterstützen.
Kommunalfinanzen brauchen umfassende Reform
In der Anhörung habe sich einmal mehr gezeigt, dass der Schutzschirm nur einen Schritt für die bedürftigen Kommunen bedeute, so die Landtags-GRÜNEN. Als einzelne Maßnahme sehen die GRÜNEN den Schutzschirm kritisch. Die kommunalpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion, Ellen Enslin, betont, dass „das strukturelle Defizit hier überhaupt nicht angegangen wird. Damit werden lediglich die Symptome bekämpft. An die Ursachen traut sich die Landesregierung nicht heran, denn es wird auch Kommunen geben, die trotz Schutzschirm auf absehbare Zeit keine Haushaltsausgleich schaffen werden. Eine grundlegende Reform des kommunalen Finanzausgleichs ist unausweichlich“. Und auch die einzelnen Bestandteile des Schutzschirms stoßen auf Kritik.
„Bei allen Sparauflagen durch den Schutzschirm muss gewährleistet werden, dass die kommunale Selbstverwaltung respektiert wird. Deshalb fordern die GRÜNEN individuelle Vereinbarungen, die dem gerecht werden. Der Schutzschirm ist das Eingeständnis der Landesregierung, dass die Kommunen nach dem unsystematischen Entzug von über 340 Millionen Euro im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs (KFA) chronisch unterfinanziert sind“, so Enslin. Die jährlichen 120 Millionen Euro aus dem Rettungsschirm seien nur ein kleiner Schritt, dem entgegenzusteuern. Das Land müsse seiner in der Verfassung verankerten Verantwortung nachkommen, für alle Kommunen eine auskömmliche Finanzausstattung zu sichern.
Die GRÜNE Landtagsfraktion fordert eine grundlegende Reform der kommunalen Finanzen. Die Kommunen bräuchten endlich eine gerechte Finanzierung. Der Kommunale Finanzausgleich müsse so gestaltet werden, dass er den demographischen Wandel und die Sozialstruktur berücksichtigt.
Aktuell setzt sich die GRÜNE Landtagsfraktion in einem eigenen Antrag (Drs. 18/5546) für Änderungen am Schutzschirm ein. Die wichtigsten Forderungen lauten:
Flexibleres Schuldenmanagement: Die Kommunen sollten freier wählen können, für welche Kredite sie die Entschuldungs- und Zinsdiensthilfen in Anspruch nehmen. Dies ermögliche ein flexibleres Schuldenmanagement und im Einzelfall Kostenersparnisse.
Beirat bei der WIBank: Dieser solle sich aus Vertretern der Kommunalen Spitzenverbände, des Rechnungshofs und des Finanzministeriums zusammensetzen. Die WIBank solle dem Beirat regelmäßig über die Verwaltung und Refinanzierung der abgelösten Kredite sowie die Fälle der Einstellung und Rückabwicklung der Entschuldungs- und Zinsdiensthilfen berichten.
Nicht in Anspruch genommene Entschuldungshilfen nutzen: Entschuldungshilfen, die nicht abgerufen werden, sollten nicht verfallen. Stattdessen wird die Möglichkeit eröffnet, entweder den Verschuldungszeitraum zu verkürzen oder weitere antragsberechtige Kommunen über eine Nachrückerliste in den Schutzschirm mit aufzunehmen. Auch die Aufstockung der Mittel für besonders bedürftige Kommunen soll möglich sein.
Flexible Rahmenbedingungen bei der Haushaltskonsolidierung: Starre Ausgleichskonzepte bei der Haushaltskonsolidierung werden ihren Zweck nicht erfüllen. Es ist wichtig Anforderungen an die Kommunen zu stellen, die ihrer tat- sächlichen Leistungsfähigkeit entsprechen. Dies betrifft ins- besondere die Landkreise.
Inzwischen wurde auch von den Landtagsfraktionen von CDU und FDP eingesehen, dass es Nachbesserungsbedarf gibt. Den ersten Änderungsantrag zu ihrem eigenen Gesetzentwurf haben sie schon auf den Tisch gelegt.

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