Gutes gewinnt nicht automatisch

Lautertaler Bürger erinnerten zum 73. Jahrestag der Reichspogromnacht an die Verbrechen der Nationalsozialisten

Gutes gewinnt nicht automatisch

Reichenbach. So etwas darf es nie wieder geben. Radikalen und menschenverachtenden Kräften müssen sich Menschen frühzeitig entgegenstellen, um klare Grenzen aufzuzeigen. Das war der Tenor, als am Mittwochabend auch in Reichenbach an die Reichspogromnacht, die sich zum 73. Mal jährte, erinnert und der Opfer des Nationalsozialismus gedacht wurde.

Zum Auftakt der Gedenkfeier fand ein Gottesdienst in der evangelischen Kirche in Reichenbach unter der Leitung von Pfarrer Thomas Blöcher statt. An dessen Gestaltung nahmen auch Schüler der Mittelpunktschule Gadernheim teil, die durch ihren Einsatz in jungen Jahren deutlich machten, dass die Erinnerungen an die schrecklichen Vorgänge im November des Jahres 1938 wachgehalten werden müssen. Die Mahnung, dass sich Geschichte nicht wiederholen dürfe, war allgegenwärtig. Erinnerungen von ZeitzeugenDie Schüler trugen Erinnerungen von jüdischen Zeitzeugen vor. Danach beschrieben sie kurz, wie am Abend des 9. November 1938 ein SS-Rollkommando von der Bergstraße her kommend zuerst die jüdischen Familien in Elmshausen und später in Reichenbach terrorisierte. Vor allem die Tatsache, dass die Synagoge in der Bangertsgasse bereits zuvor in den Besitz der Gemeinde übergegangen war, verschlimmerte die Situation der Reichenbacher jüdischen Glaubens. Daraufhin konzentrierten die SS-Männer ihren Terror auf die jüdischen Familien im Dorf. Im Anschluss zog das Kommando weiter nach Reichelsheim, wo es noch viel verheerender wütete.

Nach dem Vortrag der Schüler machte Pfarrer Blöcher nochmals deutlich, dass auch heutzutage das Gute nicht automatisch gegen das Böse gewinne. Es brauche Mut und Wachsamkeit eines jeden. Er schloss mit einem Gebet und übergab danach das Wort an Frank Maus (GLL), der in Vertretung der verhinderten Vorsitzenden des Gemeindeparlaments, Beate Dechnig (SPD), nochmals daran erinnerte, dass der Terror und die Verfolgung der Deutschen jüdischen Glaubens durch die Nationalsozialisten nicht erst mit dem 9. November 1938 begonnen habe. Es war bereits drei Jahre zuvor auch in Reichenbach zu Übergriffen auf jüdische Mitbürger gekommen. Schließlich stellte Frank Maus fest, dass die Erinnerung und das Gedenken an die Reichspogromnacht auch heute noch zeitgemäß seien. Denn auch heute seien Unterdrückung und Völkermord, selbst in Europa, noch nicht verschwunden.

Im Anschluss an den Gottesdienst in der evangelischen Kirche gingen die Anwesenden mit kleinen Kerzen, die von den Konfirmanden vorbereitet worden waren, zur ehemaligen Synagoge in die Bangertsgasse. Dort kritisierte Bürgermeister Jürgen Kaltwasser (SPD), dass das nationalsozialistische Gedankengut leider noch immer verbreitet sei. Daher sei es die Aufgabe eines jeden – auch in einer gefestigten Demokratie wie Deutschland – mit Mut und Engagement dafür zu kämpfen, dass sich die Geschichte nicht wiederhole, so Kaltwasser.

Zum Abschluss der Gedenkfeier bedankte sich der Bürgermeister zunächst bei den Anwesenden, deren Zahl im Vergleich zu den Vorjahren deutlich gestiegen war, für ihr Erscheinen. Danach legten er und der stellvertretende Vorsitzende des Gemeindeparlaments, Erich Sauer (CDU), einen Gedenkkranz der Gemeinde Lautertal nieder und gedachten im Stillen der Opfer des Nationalsozialismus. Auf dass sich die Geschichte nie wiederhole.

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