Die STVO gilt natürlich für alle – außer mir!

Die STVO gilt natürlich für alle – außer mir!

Unser Heiligs Blechle sorgt allerorten für Unmut: beklagt wird, daß in weitläufigen Ortsdurchfahrten (Ernsthofen, Brandau, Wurzelbach, Gadernheim, Lautern, Reichenbach) zu schnell gefahren wird – aber werden dann Maßnahmen ergriffen und Radarmessungen vorgenommen, dann ist gleich von Wegelagerern die Rede. Bei Messungen im Februar 2014 wurden in Gadernheim in Höhe der Nibelungenstraße 788 innerhalb weniger Stunden 80 Fahrzeuge mit über 80 kmh geblitzt, in Elmshausen Höhe Nibelungenstraße 150 wurden gar 91 Verwarnungen erstellt, der schnellster Fahrer hatte 86 km/h drauf. 

In Reichenbach, Nibelungenstraße 372, gab es 65 Verwarnungen. Im März 2014 gab es innerhalb knapp drei Stunden in der Nibelungenstraße gegenüber Auto-Essinger in Reichenbach Richtung Bensheim 82 Verwarnungen, gar 191 Verwarnungen kamen in knapp vier Stunden an der Nibelungenstraße 256 in Reichenbach Richtung Bensheim (zulässige Höchstgeschwindigkeit 30 km/h!!) zusammen. Mit 78 km/h raste ein Fahrer in Elmshausen, Nibelungenstraße 144 Richtung Bensheim durch. An allen Stellen sind wohlgemerkt 50 km/h erlaubt, an einer sogar nur 30 km/h. 
Die Anwohner der B 47 müssen noch mehr aushalten: nicht nur Dauerverkehr und zu schnelles Fahren, sondern auch das Zuparken von Straßeneinmündungen und Schulwegen macht ihnen zu schaffen. Wer zu Fuß mit dem Kinderwagen unterwegs ist, muß auf die Bundesstraße ausweichen, weil auf dem Bürgersteig PKWs parken, deren Halter befürchten, daß der nächste Geschwindigkeitsübertreter aus der Kurve und in sein „heiligs Blechle“ getragen wird. Seitdem der ruhende Verkehr, sprich parkende PKWs ebenfalls mit Knöllchen versorgt wurde, wünschen sich manche Ladengeschäfte an der B 47 von der Gemeinde Abhilfe, da sie für ihre Kunden nicht genügend Parkplätze vorhalten können und diese verkehrswidrig am Straßenrand parken müssen. Andere dagegen wollen am liebsten gar keinen KFZ-Verkehr (außer dem eigenen natürlich!): in der Lauterner Jahnstraße herrscht in der Anwohnerschaft seit langer Zeit Streit, ob denn nun durchgefahren werden darf oder nicht. Schließlich ist das Sträßchen zwischen Lautern und Beedenkirchen, einst zu Zeiten der Ölkrise für den Straßenverkehr freigegeben, inzwischen seit Jahren gesperrt um ein Wasserschutzgebiet zu schützen. Das gilt aber offenbar nur für einige Bürger, die etwas dööfer sind als die aggressiven coolen Typen, die sich alles erlauben und einfach durchfahren. Daß es den Anwohnern zu unruhig zugeht in ihren stillen Seitensträßchen, ist unangenehm für sie. Bundesstraßenanwohner dagegen leiden tagtäglich 24 Stunden lang unter dem Autoverkehr der anderen, die auf der Durchfahrt von ihrem erholsamen Wohnort zur Arbeit und anderen Besorgungen Lärm und Infraschall verbreiten. 
Eigentlich wird es jetzt Zeit, einmal Ausschau nach alternativen Konzepten zu halten. Ohne Auto ist man im ländlichen Raum ziemlich hilflos und unbeweglich. Das war der Teil „Odenwaldhölle“, der der Wahrheit entspricht: man kommt nicht vom Fleck, wenn man kein Auto hat. Mit Auto aber geht man seinen Mitbewohnern ziemlich auf die Nerven. Mitfahrzentralen sind nur in Ballungsräumen unkompliziert zu organisieren, und intelligente Konzepte für chipkontrollierte Carsharingsysteme in Flächengemeinden sind rar. Auch müßten sie von der Gemeinschaft finanziert werden. Und da ist er wieder, der scheele Blick nach links und rechts, ob nicht der Nachbar dann vielleicht mehr Nutzen davon hat als man selber. 

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