Deutliches Zeichen für Menschlichkeit

 BA-Bericht 7.9.2015 von Gerlinde Scharf

Die Bergstraße zeigt Courage und geht auf die Straße. Rund 500 Menschen zogen gestern bei einer zweieinhalbstündigen Kundgebung mit Willkommens-Transparenten und Sprechchören vom Heppenheimer Bahnhof aus durch die Straßen bis vor die Flüchtlingsunterkunft, in der in der Nacht zum Freitag hinter der Eingangstür ein Feuer ausgebrochen war, bei dem fünf Menschen verletzt wurden.

Sehr viele junge, aber ebenso viele ältere Menschen aus der ganzen Region – aus Weinheim, Heidelberg, Darmstadt, Frankfurt und sogar aus Marburg und Mainz – demonstrierten ihre Solidarität mit den Flüchtlingen und erteilten jedwedem Rassismus und Nationalismus, allen Vorurteilen, Ressentiments und dumpfen Stammtischparolen eine klare Absage. Auch zahlreiche Flüchtlinge, darunter etliche Familien, hatten sich dem Demonstrationszug angeschlossen. Die Botschaft war deutlich und für jedermann verständlich: „Liebe Flüchtlinge. Herzlich willkommen in Deutschland“ und „Für eine Welt ohne Ausgrenzung und Menschenverachtung. Gegen Nazis und Rassisten.“
Daniel Katzenmaier von der Anti-Nazikoordination Bergstraße hatte erst vor zwei Tagen, unmittelbar nach dem Brand in der Heppenheimer Asylunterkunft, spontan die Demonstration für Flüchtlinge und „gegen Rassismus und Nationalismus“ geplant und in verschiedenen Medien dazu aufgerufen. Die große Zahl der Teilnehmer überraschte nicht nur die Veranstalter, sondern auch deren Partner. Neben vielen anderen antifaschistischen Gruppen waren dies Verdi, DGB, die Linken, die Piraten und die Alevitische Glaubensgemeinschaft. Aus organisatorischen Gründen und wegen nicht ausreichender Einsatzkräfte hatte die Polizei den Weg des Demonstrationszuges durch die Innenstadt von Heppenheim bis auf den Graben untersagt.
Zwar hat sich mittlerweile herausgestellt, dass am Tatort in der Asylunterkunft keine Brandbeschleuniger gefunden wurden, und es demnach keine Hinweise gibt, dass es sich um einen Anschlag mit fremdenfeindlichem Hintergrund handeln könnte, aber, „wir müssen jetzt auf die Straße gehen – und nicht erst, wenn es zu spät ist,“ rief ein Sprecher der Bergsträßer Linken zum schnellen Handeln auf. Und richtete den Appell ausdrücklich auch an die Politik.
„Wir brauchen einen langen Atem und müssen noch mehr Engagement und Toleranz zeigen“, erklärte Ute Schmitt vom DGB und sprach sich für „Vielfalt statt Einfalt“ aus. Es sei allerhöchste Zeit, „endlich auf allen Ebenen gegen Rechts entschieden vorzugehen“. Dass die NPD in Heppenheim ungestört ihr Sommerfest feiern konnte, während Demonstranten des Platzes verwiesen wurden, sei „unglaublich“.

Manfred Forell von der Initiative gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit ergriff als Erster das Wort auf der Kundgebung und forderte ein faires Asylrecht, bei dem die Würde des Menschen ausschlaggebend sei und der Einzelfall zähle. „Die deutsche und europäische Politik hält derzeit mit dem Engagement der Bevölkerung nicht Schritt“, kritisierte Forell die „Abschottungsmentalität“ und sprach von Zeichen der Hilf- und Ratlosigkeit: „Wir brauchen aber ein starkes Europa, das nicht nur Banken, sondern auch Menschen rettet.“ Unter dem Beifall der Demonstranten sprach er sich klipp und klar gegen Unterscheidungen in gute und schlechte Flüchtlinge und für ein Einwanderungsgesetz aus: „Aus Flüchtlingen werden Nachbarn, Kollegen und Freunde.“
Ein ausdrückliches Lob richtete Forell an den Kreis Bergstraße, der allen nicht mehr schulpflichtigen Flüchtlingen einen Sprachkurs in der Volkshochschule bezahle. Wie nach ihm Reiner Volz vom Arbeitskreis Pro Asyl der Christuskirche Heppenheim hielt er eine Sicherheitsüberprüfung aller Asylunterkünfte im Kreis für dringend erforderlich. Volz forderte die Verantwortlichen dazu auf, Haustür und Schlösser zu reparieren, den Bewohnern Schlüssel auszuhändigen, eine Hausordnung zu erlassen und diese auch durchzusetzen.
Nach einem kurzen Zwischenstopp an der Kreuzung B3/Niedermühlstraße fand die Abschlusskundgebung vor dem Bahnhof statt. Begleitet und geschützt wurde der Demonstrationszug von einem beträchtlichen Polizeiaufgebot.

Deutliches Zeichen von Menschlichkeit

 

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